Sprichworte der Tuwiner
Am Vogelknochen suche kein Fett, beim Obdachlosen kein Bett.
Bist du allein - denke dir, was du willst in einem fort, vor den Leuten bedenke jedes Wort.
Bist du reich geworden, brüste dich nicht; ist dein Freund arm geblieben, bewirte ihn schlicht.
Bittet die Tochter - sollst du Nagel und Faden geben; bittet der Sohn - muss er nach Messer und Feuer streben.
Den Räuber bringen schlaflose Hunde in Brast, der Märchenerzähler schläfrige Menschen hasst.
Der Blitz verursacht Brand im Ort. Der Krieg rafft Menschenleben fort.
Der Himmel klart auf, auch nach mächtigem Sturm. Ein schlechter Charakter ist beständig wie ein Turm.
Der Schwur schärfer als ein Messer ist. Das Gerücht schneller als ein Hase flitzt.
Die Fernen wissen's vom Hörensagen, den Nahen wird's zugetragen.
Die Tochter wächst bei der Mutter zur Jungfrau heran, der Sohn wird beim Vater zum Mann.
Die Ziege klettert den Felsen hinauf, da reißt das Kamel die Augen auf.
Disteln dem Kameltier munden, wie muss sich da die Ziege wundern.
Ein dickes Scheit erdrückt das Feuer, die Unordnung der Hausfrau stellt sich teuer.
Einen Knochen kann man nicht zweimal abnagen, den Freund darf man sich nicht zweimal versagen.
Ein gefiederter Pfeil bleibt ohne Beute, unbekümmerter Leichtsinn schon manchen gereute.
Ein gutes Wort tausche auch nicht gegen viel Fleisch, ein Geheimnis gibt für Speck nicht preis.
Ein Pfau entzückt sich an seinem Rad, ein Vater am Kind Entzücken hat.
Ein schlechtes Gewehr verfehlt das Ziel, ein Kind ohne Gehorsam bringt der Sorgen viel.
Ein spitzer Splitter gelangt schnell in die Hand, eifersüchtige Augen sehen stets über den Rand.
Ein stumpfes Messer ist kein Messer, ein plumpes Wort ist auch nicht besser.
Es will gekonnt sein, einen Strick zu drehen, und auch, ein Sprichwort zu verstehen.
Elstern, die sich einig sind, selbst ein Kamelhengst nicht entrinnt.
Festgewalkter Filz hält stand bei Wind und Wetter. Feste Eintracht kann vor jeder Not erretten.
Herumsitzen - kein Erfolg, herumliegen - kein Stück vom Glück.
Hochwasser unterspült auch ein befestigtes Ufer, üble Nachrede verdammt eine Braut zur Jungfer.
Je fleißiger du bei der Arbeit bist, mit umso mehr Appetit du isst.
Kaltes Wasser härtet Stahl, den Menschen stählen Not und Qual.
Keine Fäustlinge - die Finger steif und starr. Keine Schwiegertochter - wer macht das Essen warm?
Keine Freunde findet der Grobian, keine Ruhe der Liederjan.
Lässt du einen Funken fallen - ein Brand ist entflammt; lässt du eine Bemerkung fallen - ein Gerücht ist entbrannt.
Mach einen Falken nie im Fluge scheu. Erhebe nie unnötiges Geschrei.
Mein Pferd, und mag's mager sein! Der Sattel schäbig, aber mein.
Mit dem Tee für den Gast hat's noch Zeit, die Pfeife aber halte griffbereit.
Mit den Hörnern stößt der dümmste Stier am meisten. Wer nicht überzeugen kann, droht mit den Fäusten.
Mit Schönheit lässt sich kein Tee aufbrühen, mit einem Zopf kein Reitpferd ziehen.
Nicht jedes Auge kann Schönheit schauen, nicht jede Hand welche erbauen.
Nichts fester als ein doppelter Knoten ist, nichts tiefer als das Feindschaft kann entstehen durch spöttisches Lachen.
Reisen sind Vorhaben, die den Verstand erleuchten.
Reparier lieber deine Schuhe, die Angelegenheiten anderer lass in Ruhe.
Prahl nur mit dem, was du fängst, aus einer Stute wird kein Hengst.
Rot im Gesicht - das Schuhzeug drückt. Schultern gebückt - Ehe ohne Glück.
Sitz in der Jurte nicht tatenlos, tu dich vor den Leuten im Streit nicht groß.
Verbeiß dich nicht in einen Knochen, wenn du arm bist; wirf nicht mit Fleisch, wenn du reich wirst.
Vögel sitzen in einem verzweigten Baum, Menschen in der Jurte Raum.
Was dem Vogel sein Nest ist dem Menschen die Heimat.
Wen du einmal lobst, der setzt sich zu dir ans Feuer, doch bedenke: übertrieben Lob stellt sich teuer.
Wenn ein Hund beißt, fließt Blut; beißt ein Gerücht, fließen Tränen in Strömen.
Wenn vor Hunger knurrt der Bauch, kommt schlechte Laune auf.
Wer Kühe hat, wird satt: Wer Schafe hat, wird fein gekleidet sein.
Willst du ein Pferd prüfen - reite kreuz und quer, willst du deine Verwandtschaft erkennen - reite mit ihnen zusammen einher.
Willst du in ein Haus eintreten, beuge dein Haupt nie; willst du aus einer Quelle trinken, geh getrost in die Knie.
Wohin der Stein geworfen wird, dort bleibt er liegen; wohin man die Tochter gegeben, dort muss sie leben.